Emmi Pikler Wege der Entfaltung e.V.

Der 15. August, Maria Himmelfahrt, ist dieses Jahr auf einem Samstag gefallen. In Bayern ist Maria Himmelfahrt ein Feiertag.

Ein Sonntag, bei dem entweder der Samstag oder der Montag ein Feiertag ist, ist für mich ein Doppelter-Sonntag.

Sonntage hatte ich schon als Kind gerne. Im Gegensatz zu Schultagen bin ich sonntags früh und voller Tatendrang aufgewacht. Es störte mich nicht, dass meine Freude am frühen Aufstehen an diesem Tag sonst niemand in der Familie teilte.

Der Sonntag war ein „lazy day“. Irgendwann gegen 11 Uhr tauchte einer nach dem anderen auf, und dann gab es „Brunch“ - breakfast and lunch in einem. Im Vergleich zum alltäglichen Frühstuck, saßen wir am Sonntag lange und gemütlich zusammen. Es gab Feines zum Essen wie Bagels mit lox und cream cheese - also Räucherlachs und das, was in Deutschland unter der Marke „Philadelphia“ bekannt ist.

Mit acht oder neun Jahren kannte ich mich soweit in unserer Gegend aus, dass ich auf den Idee kam, alleine die zwei Meilen zum Deli (Feinkostgeschäft) zu Fuß zu gehen, um frische Bagels zu kaufen. Damals war es wie heute noch in Deutschland üblich, dass alle Läden sonntags geschlossen hatten. Weil Delis manchmal auch Restaurants waren, waren sie sonntags aber auf.

Bevor ich mich auf den Weg machte, schlich ich mich auf Zehenspitzen in das Schlafzimmer meiner Eltern und holte Geld aus der Hosentasche meines Vaters, der mich dabei mit einem offenen Auge beobachtete. Ich gab ihm mit Zeichensprache zu verstehen, was ich vorhatte.

Den weiteren Sonntagnachmittag verbrachte jeder auf seine Art, ich meistens draußen mit den vielen anderen Kindern, die in meiner Straße wohnten. Bei uns war es am Sonntag Sitte, dass unsere Mutter „frei“ hatte. Das hieß, dass sie nicht kochen musste. Entweder gingen wir abends zum Essen aus oder es wurde - entgegen dem großen warmen Abendessen während der Woche - Kaltes aufgetischt.

Ganz gelegentlich machten wir am Sonntagnachmittag einen Ausflug mit dem Auto aufs Land. Es gab dort ein Restaurant, an das ich lebendige Erinnerungen habe: ein altes weißes Haus im kolonialen Stil mitten in einem großen Garten mit hohen Bäumen. Besonderen Spaß machte mir dort „lazy Suzy“. Die Tische waren ziemlich groß und in der Mitte stand eine große runde Drehplatte, die „lazy Suzy“. Das Essen - echte amerikanische Küche, wie man sie aus den Südstaaten noch kennt: knuspriges fried chicken, hash brown potatoes oder corn bread - wurde auf diese Platte gestellt, an der jeder drehte, um das gewünschte Essen zu sich zu holen. Ich glaube, ich habe damals mehr mit „lazy Suzy“ gespielt als gegessen.

Ich merke, dass ich zu den Sonntagstraditionen meiner Jugend zurückfinde. Ich genieße es, sonntags in den Tag hinein zu leben, zu wechseln vom „busy“ Alltag zum sonntäglichen Nichtstun. Die Umstellung vom gewohnten Gewussele zum Ruhig sein gelingt nicht auf Anhieb. Aber die Regeneration, die schöpferische Kraft und die Freude, die entstehen, wenn es passiert, sind der Mühe wert. Das an einem Sonntag in der Woche zu schaffen, ist ein anspruchsvolles Unternehmen. An Doppelten-Sonntagen gehe ich am Abend mit dem luxuriösen Gefühl ins Bett, morgen geht es weiter. Morgen ist noch ein Sonntag.

Peggy Zeitler, August 2015

Eliza, 2010