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aus: Marian Reismann
BeziehungenFotografien

Anna Tardos, „Einführung“
Ausstellung der Pikler Gesellschaft Berlin

Ich habe Marian Reismann schon in meiner Kindheit gekannt: schon in der Zeit, als ihre Bilder zu Emmi Piklers Buch „Friedliche Babys - zufriedene Mütter“ entstanden sind, die seither, bereits klassisch geworden ... (sind).

Marian Reismann hat, indem sie das Lebenswerk Emmi Piklers dokumentierend begleitete, der Botschaft Emmi Piklers zu einer bleibenden und eindrucksvollen Anschaulichkeit verholfen.

Die Bilder lassen uns teilnehmen am Leben von Säuglingen und kleinen Kindern. Auf den ersten Blick erscheint es, als sähen wir einfache, alltägliche, sich wiederholende Ereignesse. Das Kind bewegt sich, spielt, badet oder ist einfach mit dem Erwachsenen zusammen.

Ich sagte: einfache, alltägliche, sich wiederholende Ereignisse aus dem Kinderleben. Ist das wirklich so? Oder spricht uns etwas aus diesen Bildern an, das doch nicht alltäglich ist? In unserer hektischen Welt ist es oft schon für die Erwachsenen schwer, einander in Ruhe zu begegnen, sich gegenseitig wahrzunehmen und zu verstehen. Um wie vieles schwerer ist es aber, ein kleines Kind ruhig wahrzunehmen. Es ist nicht leicht, sich auf seinen Lebensrhythmus innerlich einstellend, mit ihm zusammen zu sein.

In einer Welt, die sich immer mehr versachlicht, geschieht es leicht, dass wir im Kind nur das Objekt unserer Liebe und Fürsorge sehen, anstatt den Menschen, der an der entstehenden gegenseitigen Beziehung aktiv beteiligt ist.

(...) Die Bilder vermitteln den Eindruck, dass die Kinder Zeit haben und in Ruhe beobachten können, was sie mit ihren Händen selbst bewirken. Die Ökonomie und umsichtige Kühnheit ihrer Bewegungen zeigen, wie gut die Beziehung ist, die sie zu sich selbst und ihren Fähigkeiten haben.

Wie kommt es, dass wir relativ selten solche Augenblicke wahrnehmen? Finden wir sie nur bei Kindern, die unter der Obhut Emmi Piklers aufgewachsen sind? Ich denke, bei jedem Kind gibt es solche Momente, gibt es Zeiten des friedlichen Vertieftseins in das, was es erforscht. Das Kind sucht von sich aus Gelegenheiten, in denen es interessiert seine Hände betrachtet oder mit Ausdauer und von allen Seiten einen Gegenstand betastet. Doch das entgeht meist der Aufmerksamkeit des Erwachsenen.

Warum? Sobald der Erwachsene sich dem Kind nähert, neigt er dazu, mit ihm zu sprechen, zu spielen. Damit verscheucht er die Stille, in der solche kleinen Wunder geschehen, und das ist auch der Grund, warum er diese so selten sieht.

Natürlich ist es nicht leicht, das Kind manchmal nur beobachtend zu begleiten.

Das Lächeln eines Kindes, sein offener, strahlender Blick sind für jeden Erwachsenen ein beglückendes Erlebnis, an dem er sich gerne erfrischt, sodaß es schwerfällt, sich zurückzunehmen. Aber kann das ruhige aufmerksame Wahrnehmen des Kindes nicht auch eine Art Beglückung sein?