Emmi Pikler Wege der Entfaltung e.V.

Emmi Pikler - Mehr als eine Kinderärztin

Anna Czimmek

Emmi Pikler - Mehr als eine Kinderärztin

28,00 €

P. Zeitler Verlag

ISBN 978-3-931428-20-4

Emmi Pikler (1902-1984) war eine ungewöhnliche, ungarische Kinderärztin. Sie beschäftigte sich intensiv mit den Bedingungen für eine gesunde und freie Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern. Dies war untypisch für Kinderärzte. Ihre Fähigkeit zur genauen Beobachtung führte zu neuen Erkenntnissen über die Kompetenz und Bedürfnisse des Kindes - Grundlage für eine bis heute aktuelle Pädagogik.

Mit inhaltlichen Beiträgen von Mária Vincze, Anna Tardos und Myriam David sowie Éva Kálló.

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Auszüge

Vorwort zum Emmi Pikler Buch von Anna Czimmek

Emmi Pikler war Ungarin und Kinderärztin. Untypisch für ihre Berufsgruppe, beschäftigte sie sich ausgiebig mit den Bedingungen für eine gesunde und freie Entwicklung und Entfaltung von Säuglingen und Kleinkindern sowie für ein friedliches und erfüllendes Zusammenleben mit den betreuenden Erwachsenen. Sie bemühte sich mit den eigenen Kindern, in der Begleitung von Familien als Hauskinderärztin und schließlich, aus der Not in den Nachkriegsjahren entsprungen, im Heim um eine entsprechende Gestaltung der Lebensverhältnisse und des Zusammenseins mit ganz jungen Kindern.

Wesentliche Grundlage ihrer Erkenntnisse war ein »Hinsehen« – und dadurch Wahrnehmen – der Fähigkeiten und Bedürfnisse des Kindes. Emmi Pikler zufolge sei über diese beiden Aspekte des Wesens des kleinen Kindes differenziert Bescheid zu wissen. Emmi Pikler ermöglichte den in ihrer Verantwortung stehenden Kindern in warmem Betreut- und Getragen-Sein zu lernen, sich in ihren eigenen, angeborenen Anlagen und Fähigkeiten gut auszukennen und eben diese Anlagen und Fähigkeiten zu entfalten. Die adäquate Befriedigung der Bedürfnisse und die Entfaltung der Fähigkeiten bildeten ein wohl balanciertes Gleichgewicht, das selbst in schwierigen Verhältnissen stabilisierende Wirkung hatte. Selbst unter den schwierigen Bedingungen des Heims gelang es Emmi Pikler, den Grundstein zu legen für eine weiterführende positive Sozialisation. Denn wie Nachuntersuchungen zeigten, wuchsen die Kinder zu in der Gesellschaft integrierten Individuen heran.

Emmi Pikler trug mit ihrer Arbeit zu einem weiteren und tieferen Verständnis der frühen Kindheit bei und widerlegte gleichzeitig die jahrhundertealte Überzeugung, dass eine gesunde Entwicklung im frühen Alter bei institutioneller Betreuung prinzipiell nicht möglich sei.

Der zentrale Ort von Emmi Piklers Wirken war nach ihrer Zeit als Familienkinderärztin das 1946 gegründete Säuglingsheim in Budapest, das sie aufbaute und lange Jahre leitete. Das in der Lóczystraße gelegene Heim wird kurz auch das »Lóczy« genannt. Dank der guten institutionellen Umstände im »Lóczy« konnte Emmi Pikler neben dem täglichen Leben mit den Kindern forschen. Sie dokumentierte differenziert die pädagogischen und entwicklungsphysiologischen Erfahrungen und das praxisbasierte Wissen und belegte ihre Thesen.

Zunehmend werden im deutschsprachigen Raum, wie in Ungarn und vielen anderen Ländern auch, Kinder bereits in ihren ersten drei Lebensjahren fremd betreut und verbringen oft vom frühesten Alter an lange Zeiten in Gruppen mit Gleichaltrigen, zum Beispiel in der Krippe. Dies bildet eine besondere Herausforderung für die Kinder und auch für die betreuenden Erwachsenen, die den Bedürfnissen einer ganz eigenen Altersgruppe, die in wesentlichen Aspekten weder mit dem Kindergarten- noch mit dem Schulalter vergleichbar ist, gerecht werden müssen.

Aus dem Budapester Institut wird uns ein Weg gezeigt, wie das Kind ein positives Erleben und eine entsprechende Prägung mitnehmen kann. Bis heute versorgen uns Emmi Pikler, ihre Mitarbeiterinnen und Nachfolgerinnen, die in den Räumen des ehemaligen Heims seit mehr als zehn Jahren eine Krippe führen, mit einem Handwerkszeug für die Betreuung ganz kleiner Kinder.

Dieses Handwerkszeug ist wichtig, da in den ersten Lebensjahren jeder Mensch Prägungen für sein gesamtes späteres Leben erfährt. Diese persönlichkeitsbildenden Prägungen wirken in die Zukunft unserer Gesellschaft, wenn aus den Kindern Erwachsene geworden sind.

Die Sicherheit, die betreuende Fachleute im Umgang mit dieser ganz besonderen Altersgruppe gewinnen, kann weiterwirken auf die Eltern. In der Gegenwart müssen die Eltern in der Regel alleine zurechtkommen, ohne die Unterstützung der Gemeinschaft einer Großfamilie, in der die Kinder umgeben sind von erfahrenen Omas, Opas, Tanten und Onkeln, die ihnen Orientierung geben, mit Rat zur Seite stehen und ihre vielen Fragen beantworten.

Anna Czimmek

Emmi Pikler

Fotos von Emmi Pikler