Wie war es im Jahr 1926, als Elsa Gindler in "Die Gymnastik des Berufsmenschen" schrieb: "Es wird uns allen immer mehr fühlbar, dass wir mit unserem Leben nicht mitkommen, dass das Gleichgewicht der körperlichen, seelischen und geistigen Kräfte gestört ist."?
Es waren schwere Zeiten in denen Elsa Gindler und Heinrich Jacoby den Grundstein für die Arbeit legten, die sich meist namenlos in die Welt verbreitete und auf stille Weise viele Praktiken beeinflusste, die damals im Sinne eines humanen und holistischen Menschenbildes im Entstehen waren.
Wie sieht es heute aus? Durch technologischen Fortschritt ist das Leben leichter geworden. Die schwere körperliche Arbeit, die vor weniger als hundert Jahren zum Überleben gehörte und die bestimmend war für ein Gefühl von Zeit, ist weggefallen. Zentralheizung, Waschmaschine, Verkehrs- und Kommunikationsmittel erleichtern das Leben.
Der Computer mit der Digitalisierung setzt die Entwicklung fort in das Virtuelle. All das, was sich am Computer sitzend bewältigen lässt, befreit den Menschen weiter vom unmittelbar Physischen. Wo bleibt in dieser Entwicklung der Mensch in seiner Körperlichkeit? Mit seinen Freuden und Schmerzen, mit seiner Not? Wird dies zusammen zu bringen – das physische Dasein und die Virtualität – vielleicht eine der neuen Herausforderungen sein, die zusätzlich zu bewältigen sein werden?
Sich Zeit zu nehmen um aus der neuen Eile und der Virtualität zur spürbaren Beziehung zum Augenblick zurück zu kommen, bietet Orientierung, die aus einem selbst entsteht. Diese Orientierung zu pflegen, immer wieder auf den Boden (der Realität) und zu innerem Gleichgewicht zu kommen, bringt einen mit einer Instanz in sich in Berührung, die von untrügbarer Integrität ist. Daraus erneuert sich das Gefühl für das Sein und erwächst Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit.
Peggy Zeitler, Juni 2003