1885 Berlin - 1961 Berlin
"Ja, Fragen können ist nicht so einfach [...] Vor allem möchte ich Ihnen sagen, daß es doch ums Leben selbst geht und nicht um einen Weg, der irgendwo zu Ende sein soll [...] Behalten Sie Spaß am Leben und seinen sich immer verändernden Aufgaben. Nur durch Auseinandersetzung wird man reifer, denn erst beim Auseinandersetzen erfährt man, was mehr so ist oder weniger so ist, wie es von der Wirklichkeit her sein will. Und, wenn die "Begeisterung" kleiner geworden ist diesmal, so wird die Bewunderung vor dem, was die Natur zu leisten imstande ist, sicher sehr viel größer geworden sein."
(aus einem Brief Elsa Gindlers an Erna Löhrke, September 1955, in: Erinnerungen an Elsa Gindler)
"Ihr äußerer Lebensweg zeigt nicht viel Bewegung. Sie wurde in Berlin geboren (der Vater war Grobschmied) und ist in Berlin gestorben. Sie verließ Berlin auch nicht in den Jahren der braunen Herrschaft, deren Unmenschlichkeit sie früh erkannt hatte. Sie half den Verfolgten, wo sie helfen konnte, mit Unterschlupf und Nahrung und guten Worten. Auch nach dem Zusammenbruch, als die Freunde draußen im Ausland ihr in Dankbarkeit zu helfen bereit waren, blieb sie in ihrer Heimatstadt und schuf aus den Trümmern eine neue Stätte echter menschlicher Bemühung."
(Dr. med. Rudolf Wilhelm, "Elsa Gindler - Eine große Pädagogin besonderer Art" in: Erinnerungen an Elsa Gindler)
"Wenn Pädagogik verstanden werden darf als planvolle Lebenshilfe, die Unerfahrenen und Suchenden gewährt wird von Erfahrenen und Kundigen, so war Elsa Gindler [...] eine ganz große Pädagogin. Als solche wurde sie verehrt von ihren Schülerinnen und Schülern, von Freunden und Bekannten in der ganzen Welt. Als solche sollte sie auch eingehen in die Geschichte der Pädagogik. Sie hatte zwar keine der üblichen Anstalten für Lehrerbildung besucht, sondern ihre pädagogische Befähigung - abgesehen von dem kurzen Besuch eines Gymnastikseminars in ihrer Jugend - durch Selbststudium und eigenes Versuchen erworben; sie war auch weniger auf dem Gebiete der Jugenderziehung als auf dem der Erwachsenenbildung tätig; und schließlich zog sie fortgesetzte praktisch-pädagogische Lehrtätigkeit und Forschung einer Darstellung ihrer Arbeit vor, so daß es nur ganz wenige Veröffentlichungen aus ihrer Feder gibt. Trotzdem war ihr Name weit über den Umkreis von Berlin und über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt."
(Franz Hilker, "Dem Andenken einer großen Pädagogin" in: Erinnerungen an Elsa Gindler)
"Die einzige Möglichkeit, immer wieder versuchen - mit großem Ernst - so wach, still und gelassen zu werden - Kennzeichen: das Sich-von-selbst-Schließen und zur-Ruhe-Kommen der Augen. - Probieren Sie solange und gründlich, bis es Ihnen selbstverständlicher und leichter erreichbar ist. Seinen Organismus von innen wahrzunehmen, kennenzulernen; zu verstehen, was getan werden muß, ist nun mal an dieses Verhalten geknüpft. Wer sich's nicht erarbeitet, kann nicht von innen orientiert werden. Sie leiden an den Folgen, aber es erreicht Sie nicht während des Tuns. Es gibt soviele Meldungen, die uns sagen, so geht's nicht oder nur mit Erpressen: Nicht ruhen im Stehen, stockende Atmung, Zusammenziehung etc. Aber das Wissen! Wie soll sich die Natur daran kehren, wenn wir uns nicht so verhalten, daß sie funktionieren kann."
(aus einem Brief Elsa Gindlers an S.W., Februar 1957, in: Erinnerungen an Elsa Gindler)
"Die Arbeit von bzw. nach Elsa Gindler kann in verblüffender Weise zeigen, wie die gütige Natur in unglaublichem Maße bereit ist, die Folgen unserer Fehler wiedergutzumachen, wenn wir es ihr - erlauben. Gehorsam werden im Bewegungsablauf, die Glieder bewegen so wie Es will, vom Willen her nur den Impuls geben, - nichts weiter braucht es, um aus einem versteiften und verkrampften Nervenbündel ('Krampfkonserve' sagte sie) einen Menschen werden zu lassen. Aber das Einfache ist schwierig, bzw. es ist uns schwierig, uns einfach zu verhalten. Elsa Gindler konnte es lehren."
(Dr. med. Rudolf Wilhelm, "Elsa Gindler - Eine große Pädagogin besonderer Art" in: Erinnerungen an Elsa Gindler)
Auszüge aus Briefen von Elsa Gindler an Erna Löhrke
(aus: Erinnerungen an Elsa Gindler - Berichte, Briefe, Gespräche mit Schülern, Hsg. Peggy Zeitler, 2. Aufl. München 2000)
Seite 129
April 1953:
"...Der Versuch, sich selber als Instrument wahrzunehmen, zu forschen, zu erkennen, wo wir uns zweckmäßig verhalten oder unzweckmäßig, fällt erfahrungsgemäß allen, die sich mit dem Körper beschäftigen, viel schwerer, als anderen Menschen.
Ich weiß nicht, inwieweit Sie selbst in Schwierigkeiten in Ihrer beruflichen Situation sind. Wenn nicht, rate ich immer ab. Anders ist es, wenn Sie immer wieder vor Konflikten stehen, die sich mit dem bisherigen Vorgehen nicht lösen lassen. Da gibt es dann vielleicht manche Antworten. Wenn Sie sich trotz meiner Bedenken entschließen, sind Sie mir willkommen...
...Es wäre wichtig, zu erfahren, mit welchem Problemkreis Sie sich in der Arbeit auseinandersetzen möchten..."
Seite 130
Mai 1956:
"...Sie werden es auch immer wieder erleben, wie schwer es ist, sich immer wieder von neuem zu begegnen und wie schwer man sich oft auffindet. Das bleibt unsere Aufgabe!
...Es lohnt sich, auch nur ein bisschen mehr bei sich anzukommen."
Seite 130
August 1957:
"...Bei dieser Auseinandersetzung geht es darum, dass fast alle im Anfang des Äußerns sich Aufgaben stellen, die über eine reale Möglichkeit des Realisierens in dieser Etappe weit hinausgehen. Dadurch verführen sie zum 'Ausdruck' und sind für den Sprecher schwer kontrollierbar. Wenn wir Erlebnisse und Erfahrungen zugrunde legen, die uns öfter in unserem Alltag begegnet sind, so haben wir es leichter wahrzunehmen, ob uns auch so zumute ist. Im Anfang nehmen sich die Menschen oft zuviel vor... Da lässt man besser die 'letzten Dinge' zunächst aus, bis man sich in der Alltäglichkeit dieser wunderbaren Möglichkeit mehr genähert hat..."
Aus den Briefen von Elsa Gindler an S.W.:
Seite 140
Sept. 1958:
"Es ist gut, den Tod in unser Leben hineinzunehmen. 'Er reift in uns', wie Rilke so schön sagt, und ich denke, es muss gut tun, eines Tages einzuschlafen. Daran ist nichts Furchtbares, das Werden und Vergehen ist ja so schön in der Natur. Aber das Leben ist auch schön und Sie werden sicher noch viele Schöne Stunden haben, wenn Sie sie als Geschenk nehmen. ... Zerstörtes können wir nicht ändern, das müssen wir akzeptieren. Aber dafür sorgen, dass das Gebliebene nicht immer von neuem gestört wird durch unsere Gewohnheiten - das können wir in die Hand nehmen. ..."